Wachsender Optimismus trotz angespannter politischer Lage - Nord LB Kolumne
Soeben hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim die Ergebnisse seiner monatlichen Umfrage unter rund 350 Volkswirten, Analysten und Fondsmanagern veröffentlicht. Im aktuellen Berichtsmonat April hat sich die Stimmung unter den Finanzmarktexperten erwartungsgemäß noch einmal verbessert. Die Konjunkturerwartungen für Deutschland haben sogar einen deutlichen Sprung auf 19,5 Saldenpunkte vollzogen. Dies ist immerhin der höchste Wert seit dem Sommer 2015. Die Konjunkturerwartungen für die Eurozone legten hingegen nur leicht auf 26,3 Punkte zu.
Die aktuelle Lage wird in Deutschland (80,1 Saldenpunkte) sowie in der Eurozone (11,5 Saldenpunkte) ebenfalls noch einmal besser als im Vormonat bewertet. Hierbei dürften die Umfrageteilnehmer von den zuletzt veröffentlichten harten Konjunkturindikatoren positiv beeinflusst worden sein. Immerhin deuten die jüngsten Daten zu Produktion, Einzelhandelsumsätzen und Außenhandel auf eine kräftige Wachstumsbeschleunigung in Deutschland für das erste Quartal hin. Auch der deutsche Arbeitsmarkt brummt regelrecht. Zu der ohnehin anziehenden konjunkturellen Dynamik gesellt sich dabei noch ein positiver Witterungseffekt, der u.a. zu einem Vorziehen der Frühjahrsbelebung im Bausektor geführt hat. Unsere bisherige Prognose für das BIP-Wachstum von 0,6% Q/Q könnte sich vor diesem Hintergrund noch als etwas zu niedrig erweisen.
Die guten Daten vom ZEW reihen sich in ein optimistisches Konjunkturbild ein, das alle wichtigen Stimmungsindikatoren derzeit zeichnen. Erst gestern hatte sentix einen nochmals verbesserten Konjunkturindex für Deutschland und die Eurozone veröffentlicht. Offenbar kann das angespannte politische Umfeld (Donald Trump, Brexit, Syrien, Nordkorea, Erdogan, Gefahr des Rechtspopulismus in der EU) dem wachsenden Optimismus der Unternehmenslenker sowie der Volkswirte und Analysten nichts anhaben. Auch die robuste Aktienmarktverfassung der letzten Wochen deutet in diese Richtung und dürfte gerade die Finanzmarktexperten positiv gestimmt haben.
Die Umfrage hält noch interessante Details parat, gerade mit Blick auf die – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen – aktuell stark im Fokus liegenden Volkswirtschaften USA, Großbritannien und Frankreich. In den USA sind die Erwartungen zwar noch klar positiv, allerdings sind sie wie schon in den beiden Vormonaten deutlich gesunken. Von der anfänglichen „Trump-Euphorie“ ist derzeit nicht mehr viel zu spüren. Für Großbritannien bleiben die Experten nach der formellen Übergabe des Austrittswunsches – sicher aus guten Gründen – klar pessimistisch.
Anders ist hingegen die Sicht der Experten auf Frankreich: Im Vorfeld der auch für die gesamte EU wegweisenden Präsidentschaftswahlen hat sich die Stimmung für unseren Nachbarn klar aufgehellt (19,6 Saldenpunkte). Ganz offensichtlich wird nicht mit einem Sieg Marine Le Pens vom rechtsextremen Front National gerechnet. Bleibt zu hoffen, dass die Volkswirte und Analysten diesmal – anders als bei Brexit und Trump – richtig liegen. Andernfalls würden die Märkte massiv durchgeschüttelt werden, und das wäre wohl noch der geringste Schaden.
Fazit: Die Aprilzahlen der Konjunkturumfrage des ZEW deuten auf einen weiter anziehenden Optimismus in Deutschland und der Eurozone hin – trotz des angespannten politischen Umfelds. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen haben sich erneut verbessert. Im Gegensatz hierzu scheint sich mit Blick auf die USA und die Vorschusslorbeeren für Donald Trump Ernüchterung breit zu machen. In Frankreich wird offenbar nicht mit einem Sieg der rechtsextremen und EU-feindlichen Marine Le Pen gerechnet. In diese Richtung deuten ebenfalls die Wahlumfragen, allerdings lagen Analysten und Demoskopen im letzten Jahr zweimal daneben. Bleibt zu hoffen, dass sich dies nicht wiederholt!