China BIP: 2016 mit starkem Jahresabschluss, aber … - Nord LB Kolumne
Heute früh wurden in Peking aktuelle Zahlen zum BIP-Wachstum im IV. Quartal 2016 sowie zur Wirtschaftsaktivität im Dezember veröffentlicht. Demnach präsentierte sich der Expansionsprozess mit 6,8%Y/Y deutlich dynamischer als von uns erwartet. In Bezug auf die Wirtschaftsaktivität im Dezember ist das Bild der Lage gemischt. Während sich das Wachstumstempo bei der Industrieproduktion mit 6,0% Y/Y kaum veränderte, konnten die Einzelhandelsumsätze im Dezember vergleichsweise stark gegenüber dem Vorjahr zulegen. Insgesamt wird also durchaus eine robuste Dynamik auf dem chinesischen Binnenmarkt angezeigt. Für das Gesamtjahr steht erwartungsgemäß ein Wachstum von 6,7% zu Buche. Damit bleibt die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft auf dem Wachstumskurs, den die Entscheidungsträger sich für den 13. von 2016 bis 2020 laufenden Fünfjahresplan in die Aufgabenbücher geschrieben haben.
Beim Blick auf die Details fällt insbesondere die hohe Dynamik im tertiären Sektor auf. Das Expansionstempo im Dienstleistungssegment, das den offiziellen Angaben folgend derzeit mit nahezu 52% den größten Anteil an der chinesischen Wirtschaftsleistung hat, wurde für das IV. Quartal 2016 auf 8,3% Y/Y beziffert. Zum Vergleich: Der sekundäre Sektor legte im gleichen Zeitraum um 6,1% Y/Y zu. Diese Entwicklung passt grundsätzlich zum von der Zentralregierung angestrebten Umbau des Wachstumsmodells, so dass wir durchaus von einer ermutigenden Entwicklung sprechen würden.
Gleichwohl dürfen auch die auf der Sollseite befindlichen Aspekte nicht außen vor gelassen werden. Vor allem der rasante Schuldenanstieg – je nach Schätzung liegt die volkswirtschaftliche Verschuldung bei etwas mehr als dem Zweieinhalbfachen der jährlichen Wirtschaftsleistung – dürfte perspektivisch zum Hemmschuh für eine anhaltend hohe Dynamik werden; im Extremfall könnte sie sogar zu neuerlichen Finanzmarktturbulenzen im Reich der Mitte führen. Insbesondere die Kombination einer ausufernden Unternehmensverschuldung mit nach wie vor als sehr hoch zu bezeichnenden Überkapazitäten muss als Risikofaktor berücksichtigt werden.
Darüber hinaus steht der chinesische Außenhandel derzeit nicht besonders gut dar: Im Jahr 2016 war der Wachstumsbeitrag der Nettoexporte negativ. Der Ausblick für das Jahr 2017 wird insbesondere durch das Damoklesschwert eines möglichen chinesisch-amerikanischen Handelskrieges überschattet. Unabhängig davon haben die Industrieunternehmen im Reich der Mitte unter anderem aufgrund von Lohanstiegen, die für einen Schwenk zu einem binnenmarktgetriebenen Wachstum unabdingbar sind, bedeutend an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.
Diese Herausforderungen sollten allerdings nicht als Anlass genommen werden, einen Abgesang auf die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft anzustimmen. Insbesondere beim Blick auf die langfristigen Wachstumstreiber deutet sich nach wie vor ein hohes Potenzial an. Zu nennen sind hier neben einer aufstrebenden Mittelschicht und einer voranschreitenden Urbanisierung auch Wachstumsmaßnahmen wie das Großvorhaben „One Belt, One Road“ und strategische Initiativen wie „Made in China 2025“.
Fazit: Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft konnte im Jahr 2016 um 6,7% zulegen. Insbesondere die hohe Dynamik im Dienstleistungssektor und das ausgeprägte Wachstum der Einzelhandelsumsätze im Dezember können als ermutigend bezeichnet werden. Für 2017 muss die Gefahr eines Handelskrieges mit den USA als Risikofaktor genauso berücksichtigt werden, wie die negativen Konsequenzen einer hohen volkswirtschaftlichen Verschuldung.