Nord LB – China BIP: Immobiliensektor treibt an, Reformen brauchen mehr Nachdruck
Heute früh wurden in Peking aktuelle Zahlen zum BIP-Wachstum im III. Quartal sowie zur Wirtschaftsaktivität im September veröffentlicht. Demnach präsentierte sich der Expansionsprozess der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft im Vorjahresvergleich etwas dynamischer als von uns erwartet, jedoch im Rahmen der Bloomberg-Prognose. Insofern wird die heutige Veröffentlichung von den Marktteilnehmern auch nicht als Überraschung bewertet. Wir sehen hingegen Anpassungsbedarf für unsere BIP-Prognosen. Mit Blick auf die Wirtschaftsaktivität im September ist das Bild der Lage gemischt. Während sich das Wachstumstempo bei der Industrieproduktion mit 6,1% Y/Y unerwartet abschwächte, konnten die Einzelhandelsumsätze – unter anderem getragen von überragenden Autoabsätzen – leicht zulegen. Insgesamt wird durchaus eine robuste Dynamik auf dem chinesischen Binnenmarkt angezeigt.
Allerdings muss nach wie vor von einem stark kreditfinanzierten Expansionsprozess ausgegangen werden. Darauf deuten nicht zuletzt die gestern veröffentlichten Angaben zur Kreditvergabe hin. Insbesondere der am breitesten angelegte Indikator zu den neuen Finanzierungen (Total Social Financing) präsentierte sich mit RMB 1.720 Mrd. deutlich über den Erwartungen. Diese Entwicklung ist nach unserer Auffassung in einem Atemzug mit dem Immobiliensektor als derzeit stärksten Treiber der chinesischen Wirtschaftsaktivität zu nennen. Überhitzungstendenzen dürfen in diesem Zusammenhang trotz des robusten Bilds der Lage als zukünftige Abwärtsrisiken nicht ignoriert werden. Insofern wird es in den kommenden Monaten einmal mehr auf die Fortschritte der Zentralregierung beim Kampf gegen Übertreibungen im Immobiliensegment sowie beim Umgang mit der rasant gestiegenen Verschuldung im Unternehmenssektor ankommen.
Immerhin können die Statistiker in Peking auch Lichtblicke liefern. So wurde gemeldet, dass der Beitrag des Konsums zum Wirtschaftswachstum in den ersten drei Quartalen des Jahres mit 71,0% um 13,3 Prozentpunkte höher als im Vorjahresvergleich ausfiel. Mit Blick auf die Entstehungsrechnung des BIP verstetigt sich das Bild einer höheren Dynamik im Dienstleistungssegment: Der tertiäre Sektor konnte in den ersten drei Quartalen des Jahres um 7,6% Y/Y (real) zulegen und liefert mit knapp RMB 28 Billionen den größten Anteil an der nominalen Wertschöpfung im Reich der Mitte (RMB 53 Billionen). Diese Zahlen signalisieren, dass China weiterhin auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft ist. Allerdings muss bedacht werden, dass ein nennenswerter Anteil der Services dem Immobiliensegment zuzurechnen ist und somit nicht beliebig in die Zukunft fortgeschrieben werden darf.
Die kurzfristigen Implikationen für Fiskal- und Geldpolitik dürften nach den heutigen Angaben vergleichsweise gering bleiben. Insbesondere die Notenbanker der PBOC sollten die Leitzinsen und Mindestreserveanforderungen unangetastet lassen. Ohnehin wäre eine Zinssenkung am aktuellen Rand kontraproduktiv. Schließlich agiert auch Peking nicht im luftleeren Raum und muss sich auf einen Zinsschritt der Fed im Dezember einrichten.
Fazit: Das BIP-Wachstum Chinas präsentierte sich im III. Quartal robust – und stärker als wir es erwartet hatten. Für das Gesamtjahr 2016 rechnen wir nun mit einem Anstieg der chinesischen Wirtschaftsleistung um 6,7% (bisher: 6,6%). Für 2017 reduzieren wir unsere Prognose hingegen auf 6,4% (bisher: 6,5%), was wir insbesondere mit einem Auslaufen des Immobilienbooms in einigen Städten begründen. Trotz der augenscheinlich stabilen Verfassung der chinesischen Volkswirtschaft muss Peking den eigenen Reformanstrengungen noch mehr Nachdruck verleihen, um langfristiges Wachstum zu sichern.