Johnson gewinnt Unterhauswahl, Großbritannien stimmt ein zweites Mal für den Brexit - Nord LB Kolumne
Die Briten wählen Boris Johnsons Konservative mit einer haushohen Mehrheit von mindestens 37 Sitzen in das Unterhaus. (*Zwei Sitze/Bezirke sind noch nicht ausgezählt) Damit hat Großbritannien ein zweites Mal – und sehr deutlich – für den Brexit votiert.
Johnson gewinnt, weil die wirtschaftlichen Folgen des Brexit für die Briten derzeit nicht spürbar sind. Er gewinnt, weil er ein geschickter Selbstvermarkter mit populistischen Strategien ist. Er gewinnt, weil er die Illusion eines unabhängigen und wirtschaftlich stärkeren Großbritannien hervorragend verkaufen konnte. Er gewinnt, weil seine Gegner – vor allem Labour – so schwach sind.
Die Geschichte wird feststellen, dass den eigentlichen großen, wenn nicht größten, Anteil am Brexit der Labourführer Jeremy Corbyn hat. Er verhinderte, dass sich Labour als Remainer prositionieren, er verhinderte den für seine Kernwählerschaft Arbeiter besseren Deal und erklärt ihnen auch nicht, warum der Brexit gerade für sie eine Verschlechterung wäre. Er verhinderte die Koordination mit den Brexit-Gegnern. Er setzte seine Minderheitsmeinung in der Partei durch und hat ihr damit immensen Schaden zugefügt. Dass er nun wahrscheinlich zurücktritt ist überfällig, rettet aber freilich die Situation nicht mehr.
Was heißt der deutliche Sieg nun in Bezug auf den Brexit? Johnson hatte „seinen“ Deal noch in der Schublade. Diesen kann er jetzt wahrscheinlich mühelos vom Unterhaus ratifizieren lassen. Er hätte allerdings nun auch die Möglichkeit dies nicht zu tun und damit einen harten Brexit herbeizuführen. Das halten wir für unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist, dass er den Deal, den er als Erfolg gefeiert hat, auch durchbringt. Damit hätten wir zum 31. Januar einen Brexit mit Deal. Danach beginnt die Übergangszeit bis Jahresende. Großbritannien muss sich nach wie vor mit der EU über ein Handelsmodell einigen. Unter den Tories halten wir das Modell Kanada bzw. CETA für das wahrscheinlichere. Das Modell Norwegen hat zu viele rote Linien: man wäre fremdbestimmt und müsste vor allem auch noch zahlen. Für die EU wird im Kern der Verhandlungen die Personenfreizügigkeit stehen, die im Modell Kanada aber nicht enthalten ist. Es wird lange Jahre dauern, bis man sich einigt, daher kann es zwischenzeitlich zum Rückfall zu WTO Bedingungen kommen. Großbritannien wird insgesamt einen hohen Peis für den Brexit bezahlen – wirtschaftlich wie auch politisch.
Das Pfund gewinnt aktuell sehr deutlich an Wert hinzu. Gefeiert wird wohl vor allem, dass die Unsicherheit erst einmal vom Tisch ist – zumindest was den 31. Januar betrifft. Allerdings dürften die Übergangsprobleme und die Verhandlungen über ein Handelsmodell ebenso wie die wirtschaftliche Kosten es bald wieder abschwächen.
Fazit: Boris Johnson gewinnt die Wahlen für das britische Unterhaus mit einer deutlichen Mehrheit. Damit bestätigt der Wähler ein zweites Mal, dass er den Brexit will. In der Folge wird sich das Königreich voraussichtlich zum 31. Januar mit dem Deal aus der Europäischen Union auf Raten verabschieden. Nun beginnt die intensive und wahrscheinlich jahrelange Zeit, sich auf ein Handelsmodell zwischen EU und Großbritannien zu einigen. Die Briten werden einen hohen wirtschaftlichen und politischen Preis für ihre scheinbare Unabhängigkeit bezahlen. Dessen sind sie sich nur noch nicht bewusst – zumindest nicht in der Mehrheit.